Bei viele Firmen kann man die Produktionszeiten bis auf die Sekunde genau bestimmen. Der Ausschuss in der Produktion wird bis auf zwei Stellen nach dem Komma berechnet und alle freien Flächen sind mit Standards, Grafiken, Statistiken und Zielvorgaben zugepflastert. Alles wird visualisiert und gemessen. Gehen wir jedoch in den Bürobereich, verschwindet fast die ganze Transparenz. Es gibt kaum Zielvorgaben und wer weiss genau, wie viele Fehler man beim Erstellen von Angeboten oder in der Buchhaltung macht.
Es gibt ein imposantes Ausmass an Literatur und eine wachsende Zahl von Seminaren zum Thema Lean. Auch wenn darin von der Lean Enterprise gesprochen wird, beschränken sich die aufgeführten Beispiele auf Zwischenbestände bei einem Stanzprozess, auf Shadowboards mit Produktionswerkzeugen oder auf eine Rüstoptimierung einer Spritzgussmaschine. Solche Beispiele sprechen kaum jemanden ausserhalb der Fertigung an und bestärken nur den Eindruck, dass Lean primär in der Produktion angewendet werden kann.
Wie in meinem letzten Blog hervorgehoben, wird zu oft ein zu starker Fokus auf Ordnung und Sauberkeit anstelle von Arbeitseffizienz gelegt. Ausgeschnittene Schaumstoffe in einer Schreibtischschublade für den Bleistift, den Kugelschreiber und die Büroklammern, welche nur von einem einzigen Mitarbeiter benutzt werden, und ein strenges Verbot von persönlichen Gegenständen am Arbeitsplatz können zu viel unnötigem Widerstand führen. Viele Angestellte schütteln dann nur den Kopf, besonders wenn niemand sich darum kümmert, warum die Suchzeiten im Intranet manchmal viele Minuten und die Responsezeiten des Chefs oft Tage dauern.
Fast alle Produktionsmitarbeiter haben regelmässig Erfahrungen mit Veränderungen erlebt. Der Druck von Niedriglohnländern ist an fast keinem spurlos vorbeigegangen und die Anzahl von direkt produktiven Mitarbeitern in der Produktion ist überall gesunken. Mit Ausnahme davon, dass heute jeder einen PC auf dem Pult hat und mit E-Mails täglich überflutet wird, gibt es meistens nicht die gleiche Menge an Veränderungserfahrung ausserhalb der Produktion. Die Automation in Dienstleistungen ist weniger weit fortgeschritten und hat bei einigen Tätigkeiten noch gar nicht angefangen.
Eine Steigerung der Effizienz wird oft so verstanden, dass das gleiche Arbeitsvolumen mit weniger Mitarbeitern erledigt werden muss. Falls es seitens der Vorgesetzten keine klare Aussage gibt, dass es bei Lean nicht um Stellenabbau geht, sondern darum, dass mehr Zeit für Wichtiges eingesetzt werden kann, werden Leute natürlich Angst vor Lean haben. Eine Verkürzung der Zeit, um eine Offerte zu erstellen, wird kaum mit Begeisterung vom betroffenen Mitarbeiter angenommen, wenn ihm nicht erklärt wird, wozu er die eingesparte Zeit einsetzen soll, z.B. um mehr Zeit mit den Kunden zu verbringen oder um offene Angebote nachzuverfolgen, um die Erfolgsrate zu steigern.
Obwohl man solchen Ängsten natürlich auch in der Produktion begegnet, ist es für Produktionsmitarbeiter dank des transparenten Umfelds deutlich schwieriger, den Eindruck zu erzeugen, dass sie voll beschäftigt sind, wenn die Realität mehr «Bore-out» als «Burn-out» entspricht. (Bore-out ist, wenn Langeweile krank macht, und hat nichts mit Faulheit zu tun.)
Bei Wertfabrik sind wir uns voll bewusst über die Potentiale und Schwierigkeiten mit Lean Management ausserhalb der Produktion. Wir verkaufen Lean Produktion nicht als Lean Administration oder Lean Enterprise und haben umfangreiche Erfahrung mit Wertstromanalyse, Wertstromdesign und anderen Methoden ausserhalb des traditionellen Produktionsbereichs. Nachweisliche Erfolge in Logistik, Verkauf, IT, Einkauf, Personalwesen und sogar in der Buchhaltung unterstreichen unsere umfassenden Fähigkeiten. «Fabrik» ist ein Teil unseres Namens, aber ist nicht als Begrenzung zu verstehen, wo wir unseren Kunden einen Mehrwert bringen können.
Gerne erwarten wir Ihre Reaktionen zum Thema in diesem Blogbeitrag in den Kommentaren oder auch an einer unserer zahlreichen Veranstaltungen.
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