David Moser
27.11.2023 / 6 Minuten Lesezeit

«Kopf voll, Hirn leer» – Wenn die Kommunikation am Arbeitsplatz zur Erschöpfung führt.

Meeting-Flut und immer neue Tools: Vielen Angestellten fällt es schwer, sich ungestört auf ihre Arbeit zu konzentrieren. Was ist zu tun?
Am 13. November 2023 erschien in der NZZ ein interessanter Artikel von Natalie Gratwohl mit dem Titel «Kopf voll, Hirn leer» - Wenn die Kommunikation am Arbeitsplatz zur Erschöpfung führt!
Natalie Gratwohl

Einleitung

Die Autorin thematisiert in ihrem Artikel die zunehmende Belastung und Erschöpfung von Mitarbeitenden durch die Flut an Meetings und digitaler Kommunikation am Arbeitsplatz.

Quelle Bild: Microsoft

Mit dem Anstieg von Online-Sitzungen und einer Vielzahl von Kommunikationskanälen wie E-Mails, Anrufen, Chat-Nachrichten und Kollaborationstools kämpfen viele Angestellte darum, sich auf ihre Kernarbeit zu konzentrieren. Gemäss einer von Microsoft durchgeführten Studie verbringen heute Mitarbeiter rund dreimal soviel Zeit in MS-Teams-Meetings wie noch im Februar 2020.

Cordula Nussbaum (Quelle Bild: wirtschaftszeit.at)

Stress und Erschöpfung durch Information-Overflow

Natalie Gratwohl zitiert aus kürzlich erschienen Buch «Kopf voll, Hirn leer» von Cordula Nussbaum, das bereits in der Startwoche weit oben auf der SPIEGEL-Bestsellerliste gelandet ist. Die Business-Coach und Autorin Cordula Nussbaum erörtert, dass die Vielfalt der Kommunikationskanäle eine ständige mentale Belastung darstellt, die zu innerer Anspannung und Erschöpfung führt. Dies betrifft alle Altersgruppen gleichermassen, wobei kreative und empathische Menschen besonders empfindlich auf externe Reize reagieren könnten.

Cordula Nussbaum betont, dass Techniken zur Priorisierung und Fokussierung von Aufgaben erlernbar sind. In ihrem Buch «Kopf voll, Hirn leer» bietet sie praktische Ratschläge wie das Abschalten von Benachrichtigungen und das Aufschreiben banaler Dinge zur Entlastung des Gehirns.

Künstliche Intelligenz (KI) zur eigenen Entlastung nutzen

Quelle Bild: Microsoft

In einer Befragung von Microsoft bei Schweizer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern gaben 59 Prozent an, sie hätten zu wenig Zeit, um sich ungestört auf ihre Aufgaben zu konzentrieren. Interessant ist die Entwicklung von technischen Lösungen wie einem KI-basierten Co-Piloten, der bei der Organisation und Priorisierung von Aufgaben hilft. Dieser digitale Assistent kann Aufgabenlisten erstellen, Meetings protokollieren und wichtige Nachrichten während konzentrierter Arbeitsphasen filtern.

Während 47% der Schweizer Angestellten befürchten, dass KI ihre Arbeit ersetzen wird, würden 65% so viel Arbeit wie möglich an KI delegieren, um ihre Arbeitsbelastung zu verringern.

Störungsfreie Blockzeiten bringen Effizienz

Immer mehr Unternehmen, darunter SAP oder Bâloise, fördern die Zeiten für ungestörte Konzentration und haben einen «Focus Friday» eingeführt. Am Focus Friday finden keine Meetings statt, sondern die Mitarbeiter können ungestört arbeiten.

Aus eigener Erfahrung wissen wir, dass solche störungsfreien Blockzeiten enorm viel für die Effizienz beitragen können. Ressourcen-Engpässe können sich schlicht auflösen, wenn man dafür sorgt, dass die Mitarbeiter nicht dauernd bei ihrer Arbeit gestört werden

Zeitfresser Sitzungen und Meetings

Am Schluss des Artikel gibt Natalie Gratwohl acht konkrete Tipps, wie mit den grössten Zeitfressern im Arbeitsalltag, nämlich Sitzungen und Meetings, besser umgegangen werden kann. Diese Tipps gebe ich hier 1:1 weiter:

1. Braucht es überhaupt eine Sitzung?

Es lohnt sich, vor jedem Meeting zu überlegen, ob die Inhalte schwierig zu interpretieren oder heikel sind. Ist dies nicht der Fall, bieten sich asynchrone Kanäle an. Man kann eine E-Mail schreiben oder gemeinsam an einem Dokument arbeiten.
Kommt man zum Schluss, dass es für den Zusammenhalt wichtig ist, sich zu treffen, kann man auch gezielt Anlässe zum sozialen Austausch organisieren.

2. Was ist das Ziel des Meetings?

Längst nicht immer ist allen Anwesenden klar, was in der Sitzung erreicht werden soll. Es bietet sich daher an, im Vorfeld eine Agenda bzw. Traktanden mit Verantwortlichkeiten zu erstellen und diese an die Teilnehmer zu verschicken, die noch Punkte ergänzen können. Das wichtigste Thema sollte in der Sitzung als Erstes behandelt werden.

3. Wer muss und wer kann teilnehmen?

Um die Sitzung effizient zu gestalten, sollten nur jene Personen eingeladen werden, für die das Thema relevant ist und die einen Beitrag leisten können. Mit der wachsenden Verbreitung von Videokonferenzen ist der Teilnehmerkreis deutlich gewachsen. Die hohen Kosten, die anfallen, wenn Mitarbeitende an unnötigen Meetings teilnehmen, werden dabei meist wenig beachtet. Zeitsparend ist es auch, grosse Sitzungen so zu unterteilen, dass Personen nur für einzelne Traktanden dazukommen.

4. Fühlen sich Mitarbeitende übergangen?

Möglich ist, dass sich Angestellte übergangen fühlen, wenn sie nicht zur Sitzung eingeladen werden, selbst wenn sie ihre Zeit sinnvoller einsetzen könnten. Will man dies verhindern, kann man beispielsweise einen grösseren Personenkreis einladen und die Teilnahme als freiwillig bezeichnen. Wer nicht teilnimmt, erhält nach der Sitzung ein Protokoll bzw. eine elektronische Zusammenfassung der Videokonferenz.

5. Wie lange soll die Besprechung dauern?

Man schätzt die Dauer, die man für die Diskussion benötigt, und zieht davon rund fünf bis zehn Prozent ab. Dieser Ansatz hilft, die Sitzung effizienter zu gestalten. Denn wir haben die Tendenz, für eine Aufgabe so lange zu brauchen, wie wir Zeit dafür haben. Die meisten Online-Sitzungen werden auf eine halbe Stunde oder eine Stunde angesetzt. Dies führt dazu, dass die Mitarbeitenden nahtlos von Meeting zu Meeting springen müssen. Besser ist es, die Sitzung beispielsweise auf 25 Minuten oder 50 Minuten zu terminieren, damit die Mitarbeitenden ein kurze Pause machen und sich gegebenenfalls auf die Sitzung vorbereiten können.

6. Wie gelingt es, eine produktive Sitzung zu leiten?

Manche Meetings sind chaotisch und laufen aus dem Ruder, andere sind bleiern und uninspirierend. Beides möchte man vermeiden. Sitzungsleiter müssen die Agenda und die Zeit im Blick behalten, Vielredner bremsen und alle Teilnehmenden einbeziehen. Häufig ist es auch notwendig, Mitarbeitende zu kritischen Voten zu ermutigen («Welche Einwände haben Sie?»). Denn die Voraussetzung für eine produktive Sitzung ist, dass sich die Anwesenden sicher fühlen und einbringen. Ein Meeting wird nicht automatisch produktiver, wenn man sich an die Agenda klammert und kein Wort zu viel gesprochen wird. Eine gute Atmosphäre hilft, neue Ideen zu entwickeln.

7. Feedback einholen – Was halten die Teilnehmenden von der Sitzung?

Wenn Vorgesetzte den Eindruck haben, die Meetings seien produktiv, kann diese Selbstwahrnehmung von der Fremdwahrnehmung abweichen. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer stufen die Qualität der Sitzung in der Regel schlechter ein als die Sitzungsleiter. Um einen besseren Eindruck zu bekommen, wie es die teilnehmenden Kolleginnen und Kollegen sehen, eignen sich zum Beispiel kurze (anonyme) Umfragen.

8. Welche Grundregeln gelten im Team?

Man kann sich auf ein paar einfache Grundregeln einigen: Die Sitzung pünktlich beginnen, keine anderen digitalen Geräte benutzen und bei Online-Meetings Kamera und Ton einschalten. Möglich sind auch kreative Ansätze. Reden etwa die Mitarbeitenden dem Chef nach dem Mund, kann dieser die Rolle des «Devil’s Advocate» schaffen, der offiziell die Aufgabe hat, Dinge kritisch zu hinterfragen und Gegenpositionen einzunehmen.

Zusammenfassung

Zusammenfassend zeigt der NZZ-Artikel, dass die moderne Arbeitswelt eine bewusste und disziplinierte Nutzung digitaler Kommunikationsmittel erfordert, um Überlastung zu vermeiden und die Produktivität zu steigern. Die Entwicklung hin zu einer ausgewogenen digitalen Kommunikation und die effiziente Nutzung von Tools bleiben entscheidend für das Wohlbefinden und die Leistungsfähigkeit der Mitarbeitenden.

 

Quellen

Artikel von Natalie Gratwohl in der Neuen Zürcher Zeitung NZZ vom 13. November 2023, «Kopf voll, Hirn leer»: Wenn die Kommunikation am Arbeitsplatz zur Erschöpfung führt.

Hier der ganze NZZ-Artikel:

Zoom, Slack & Co. Wenn die Kommunikation zur Erschöpfung führt

 

Literatur

Buch „Kopf voll, Hirn leer: Konzentriert und leistungsfähig bleiben trotz permanenter Reizüberflutung“ von Cordula Nussbaum, ‎ GRÄFE UND UNZER Verlag GmbH; 2. Edition (2023), ISBN-10: ‎ 383389007X; ISBN-13: ‎ 978-3833890079

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