Vor einigen Tagen führte ich bei einem Kunden eine Diskussion mit dem Entwicklungsleiter einer Business Unit. Wir befanden uns inmitten eines Lean-Projektes mit dem Ziel, dass die Kontrolle am Ende der Produktion rechtzeitig Informationen erhält, welche für die Inspektion des Produktes notwendigen sind. Der Entwicklungsleiter vertrat die Auffassung, dass es in der betreffenden Business Unit nicht immer möglich sei, den vereinbarten Entwicklungsprozess einzuhalten. In diesem Prozess wird verlangt, dass an einem der ersten Gates die Spezifikation für die Inspektion vorhanden sein muss, damit das Gate passiert werden kann. Dafür existiert eine entsprechende Gate-Checkliste. Aufgrund des sehr oft vorhandenen Termindrucks könne man jedoch an dieser Stelle nicht auf dieses Dokument warten, sondern müsse mit dem Entwicklungsprozess weiterfahren. Der Entwicklungsleiter war zudem der Meinung, dass diese «Flexibilität» eine Stärke der Business Unit darstelle.
Dazu vertrete ich eine völlig gegenteilige Meinung. Für mich ist es eine klare Schwäche, wenn vereinbarte Standards nicht eingehalten werden. Was passiert, wenn das Inspektionsdokument nicht am betreffenden Gate vorhanden ist? Es geht in der Regel vergessen, bis es dann wirklich benötigt wird. Das Produkt kommt irgendwann in der Kontrolle an, wird auf die Inspektionsmaschine geladen und kann nicht inspiziert werden, weil die entsprechende Spezifikation fehlt. Jetzt beginnen die Rückfragen. Die Kontrolle ruft bei der Qualität an, diese bei der Entwicklung. Manchmal wird zusätzlich das Produkt Management um Informationen angefragt. Kommt das Produkt zudem während der Spätschicht zur Kontrolle, ist niemand mehr erreichbar. Es wird daher wieder entladen und bleibt mindestens bis zum Folgetag stehen. Der Ablauf ist unterbrochen, bei den Schnittstellen tritt damit während der Arbeit eine Störung auf, Frustration macht sich breit. Mit anderen Worten: Verschwendung ohne Ende. Die Zeit, die man am Gate vermeintlich eingespart hat, geht nun wieder mehr als nur verloren.
Wo liegt also das Problem? Das Problem liegt darin, dass zwar ein Standard definiert worden ist, dieser aber nicht eingehalten wird. Warum wird dieser nicht eingehalten? Das hat zwei Gründe:
Das Beispiel zeigt einmal mehr, dass Standards nicht ein reines «Wunschkonzert» sein dürfen. Sie sind «Gesetz» und damit zwingend einzuhalten. Sie können und sollen jedoch regelmässig in Frage gestellt und bei Bedarf angepasst werden. Die Rahmenbedingungen können sich zwischenzeitlich geändert haben. Wird keine Anpassung vorgenommen, werden sie früher oder später nicht mehr eingehalten. Dies zieht fatale Folgen für Disziplin, Kultur und Ergebnis des Unternehmens nach sich.
Lesen Sie in weiteren Blogbeiträgen mehr zu den Vorteilen von Standards und zu deren Etablierung.
Haben Sie ähnliche Erfahrungen gemacht? Wie gehen Sie mit Standards in Ihrem Unternehmen um?
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